Von Nord nach Süd im Kumpel-Modus
Ich bin zur Grenzsteintrophy eingeladen. Zum 10. Jahrestag der GST will Gunnar mit guten Freunden die ehemalige Grenze zwischen DDR und BRD von Nord nach Süd befahren.
Eigentlich mag ich die alten Kolonnenwege nicht besonders. Aber die Einladung ist Ehrensache, also fahre ich selbstverständlich mit. Wir treffen uns an einem kühlen Nachmittag im Juni an der Fähre zum Priwall. Heute wollen wir noch 40 km bis zur ersten Übernachtung fahren. Dann sind es noch 10 Tage für 1200 km.
Auf den ersten 200 km bekommt man den Kolonnenweg fast nicht mehr zu Gesicht. Sandwege wechseln sich mit Schotter und Asphalt ab. Aber spätestens nach der Überquerung der Elbe ist es mit dem lockeren Einrollen vorbei.
Die GST ist das erste Bikepacking-Event nach dem Vorbild der Tour Divide in Deutschland. Und in meinen Augen auch immer noch das härteste. 2014 bin ich zum ersten Mal die Grenzsteintrophy gefahren. Damals die kurze Variante über den Rennsteig. Trotzdem habe ich damals für die 1000 km knapp 7 Tage gebraucht und stand mehrmals vorm Aufgeben.
Nach dem Start am Dreiländereck lernst Du die Lochplatten sofort kennen. Am ersten Tag versuchst Du noch alles mögliche, den Langlöchern auszuweichen – am Rand oder in der Mitte. Irgendwann merkst Du, dass die Mitte unberechenbar ist oder das hohe Gras Dich mehr bremst als das Rütteln der Löcher. Dann lernst Du die Betonplatten und ihren geringen Rollwiderstand schätzen. Richtig lieben lernst Du sie nie.
Ãœber die Langlöcher drüber zu rollen schafft man nur mit einem Fatbike. Aber das macht Dich im Flachland langsamer und steile Anstiege werden damit auch nicht gerade leichter. Meine Reifen sind mit 2,3 Zoll zu schmal und fallen immer wieder in die Löcher. Besonders bergauf kommt man damit schnell aus dem Rhythmus. Die meisten der Jungs fahren Plus-Reifen – wohl das Optimum für die GST. Wir versuchen alle, so lange auf den Stegen zwischen den Löchern zu fahren wie möglich. Mit Knien und Oberkörper balancierend werden wir nach einer Weile richtig geschickt dabei.
Die Platten liegen da jetzt schon mindestens 30 Jahre im Boden. Viele wahrscheinlich 50 Jahre. Aber langsam erodiert auch der härteste Beton dahin. Abschnitte, die ich vom Scouting in 2015 noch in guter Erinnerung habe, sind jetzt unterspült und ausgesetzt, dass es einem Angst wird. Wie lange werden diese Wege noch nutzbar sein? Und wie lange werden Forst- und Landwirtschaft sie noch nutzen wollen? Für die ganz großen Maschinen stimmt die Spurweite nicht mehr. Also werden sie an manchen Stellen ausgebaggert und durch Schotter ersetzt. An anderen Stellen wächst meterhohes Gras drüber oder – wie in der Rhön – sogar schon stattliche Fichten.
Ich habe nicht viel für die alte Grenze übrig. Bin froh, dass sie weg ist und gut. Aber das Irrationale der Grenzanlagen lebt in der GST irgendwie weiter. Du fragst nicht, warum die Kolonnenwege mit 30% Steigung den Berg hochgehen, nur um gleich wieder genauso steil bergab zu führen. So war die Grenze. Also fragst Du irgendwann auch nicht mehr, warum der Scout den Track unbedingt durch einen Bach geführt hat, wo doch in Sichtweite eine Brücke liegt. Du schüttelst nur kurz den Kopf, wenn es wieder mal durch Gras, Brennnesseln oder sonstiges Gestrüpp geht, und fährst dann weiter.
Dieses Durchkämpfen durch den Busch, das Strapazieren von Material und Nerven ist nicht ganz so mein Fall. Ich mag es lieber, wenn es zügig voran geht. Aber mittlerweile erkenne ich den Charakter der GST und sehe einen gewissen Sinn darin. Und dann sind da noch die sogenannten Roller Coaster – kurze Talsenken, vielleicht 30 Höhenmeter, gute Platte, gut einsehbar, fahrbar ohne Bremse. Du rollst an, das Gefälle wird nochmals steiler, die Gravitation verringert sich und der Wind treibt Dir Tränen in die Augen. Mit 60 – 70 km/h drückt es Dich in die Talsenke und Du versuchst, den Schwung mitzunehmen. Die letzen Meter musst Du trotzdem schieben, aber was für ein geiler Scheiß!
Ich habe mich mit der GST versöhnt. Möge es die Kolonnenwege, das Grüne Band und die Abenteurer auf bepackten Bikes noch lange geben. Grüßt mir die Ostsee!